Gertrude Heymann

Gertrude Heymann, geborene Sternberg, geboren 24.10.1887, gestorben 03.02.1943
(aufgezeichnet nach den Erinnerungen ihres angeheirateten Neffen Horst P. Eisfelder)

Gertrude Heymann (in der Familie Trude genannt) heiratete Alfred Eisfelder, einen Linguistikexperten, mit dem sie zwei Söhne – Günter und Ferdinand – hatte. Die Ehe wurde Mitte der 20er Jahre geschieden. Sie wohnte mit ihren Söhnen bis zu deren Emigration viele Jahre in der Wilsnacker Straße 52. Ihr zweiter Mann, Fritz Heymann, den sie 1937 oder 38 heiratete, wohnte ebenfalls dort.
Gertrude Heymann war Sozialarbeiterin und politisch sehr engagiert. Sie kandidierte bei den Reichstagswahlen 1932. Ihre Partei (welche, ist noch ungeklärt) erhielt nicht genügend Stimmen, so dass aus den Plänen nichts wurde.
Die Gefahr, die von den Nationalsozialisten für die jüdische Bevölkerung ausging, erkannte sie sehr früh. Sie bemühte sich deshalb seit Ende 1933 darum, ihren beiden Söhnen das Verlassen Europas zu ermöglichen. Günter Eisfelder ging 1934 nach Brasilien und arbeitete dort als Kellner. 1936 erreichte Gertrude Heymann, dass eine Familie in den USA sich bereit erklärte, Ferdinand aufzunehmen. Er gab deshalb seine Lehrstelle auf und bereitete sich auf die Ausreise vor. Es stellte sich dann aber heraus, dass ein Mitglied des zuständigen Komitees seinen Sohn an der Stelle von Ferdinand nach Amerika geschickt hatte. Dieser erhielt eine andere Lehrstelle in Berlin als Schriftsetzer im Druckereigewerbe und besuchte einmal wöchentlich die Berufsschule am Barbarossaplatz. An diesem Abend nahm er am Abendessen der Familie seiner Tante – Leopold Ludwig (Louis) und Hedwig Eisfelder und deren Söhne  Erwin und Horst P. Eisfelder – teil, die in der Freisinger Straße 4 wohnten.
Diese Familie emigrierte am 26. Oktober 1938 nach Shanghai, nachdem alle anderen Pläne einer Ausreise nach den USA, nach Argentinien, Cost Rica  und Australien fehlgeschlagen waren. Später stießen die Schwester von Hedwig Eisfelder, Bertha Mendel mit ihrem Mann Emil sowie Ferdinand Eisfelder in Shanghai zu ihnen. Sie teilten sich die Wohnung, die über einem Geschäftsraum im Erdgeschoss und einer Backstube im ersten Stock gelegen und für die sechs dort wohnenden Personen sehr beengt war. Ferdinand wohnte in der Nähe in einem kleinen Mehrbettzimmer. In den Geschäftsräumen eröffneten die Familien am 11. Februar 1939 das Café Louis, das erstklassige Kuchen auf kontinentale Art, handgemachte Schokoladen und deftige Mittag- und Abendessen anbot.
Gertrude Heymann versuchte nicht, zu emigrieren, weil sie der Überzeugung war, dass politisch engagierte Personen wie sie selbst  nach dem Naziwahn für den Wiederaufbau Deutschlands notwendig sein würden. So blieb sie „auf  ihrem Posten“, bis es zu spät war.
Um 1941 herum wurde sie mit ihrem zweiten Mann Fritz Heymann von Trude Blankenstein in der damaligen Franseckystraße 35 – heute Sredzkistraße – im Prenzlauer Berg versteckt. Sie machte sich keine Illusionen über ihr wahrscheinliches Schicksal und schrieb am 9. September 1942 an ihren Sohn Ferdinand einen langen Abschiedsbrief, den er erst einige Jahre nach dem Krieg erhielt. Obwohl sie untergetaucht war, ging sie  weiter in Berlin spazieren und besuchte auch Kaffeehäuser. Dort wurde sie im Februar 1943 erkannt und verraten. Sie wurde verhaftet und weigerte sich, Auskunft über ihr Versteck zu geben. Dann wurde sie buchstäblich tot geschlagen. Es ist dokumentiert, dass sie am 3. Februar 1943 tot in Auschwitz ankam.
Ihr älterer Sohn Günter, der nie verheiratet war, überlebte in bescheidenen Verhältnissen. Er wechselte seinen Wohnsitz mehrfach zwischen Brasilien, Portugal und Deutschland und starb im Alter von 81 Jahren in Berlin.
Der jüngere Sohn Ferdinand (später Fred Fields) führte eine erfolgreiche internationale Anzeigen-Agentur in New York und erhielt im Mai 1990 für seine Verdienste um die Förderung des Handels zwischen den USA und Deutschland das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er starb im Alter von 84 Jahren in Florida. Seine Witwe Yvette lebt heute 87-jährig in USA und steht weiter in Kontakt mit Horst Eisfelder. Yvette und Fred hatten zwei Söhne und eine Tochter. Der Sohn Peter ist Arzt in Kalifornien, die Tochter Barbara hat eine hohe Position in der Obama-Administration. Sie ist verantwortlich für die städtische Erneuerung von Slums (the urban renewal of slums) in den fünf Neu-England-Staaten.
Horst P. Eisfelder blieb bis Mai 1947 in China, von wo aus ihm die Ausreise nach Australien gelang. Dort baute er sich eine neue Existenz auf. Seine Erlebnisse im Shanghaier Exil hat er niedergeschrieben. „Chinese Exile. My years in Shanghai and Nanking“, Victoria 2003 in Deutsch „Exil in China“ 2009 kitab-Verlag Klagenfurt – Wien.