Folgender Text über die Tile-Wardenberg-Str. 28 erschien 1979 in der damaligen Stadtteilzeitung “einundzwanzig”:
Am 7. Februar liest ein Mieter der Tile-Wardenberg-Str. 28/Moabit im “Spiegel”, dass sein Hausbesitzer ein untergetauchter Nazi-Verbrecher ist, und zwar einer der übelsten Sorte.
Laut Haftbefehl des Amtsgerichts Baden-Baden steht der Hausbesitzer Dr. Aribert Heim im dringenden Verdacht, KZ-Häftlingen “Benzin oder Chlormagnesium unmittelbar ins Herz gespritzt” und so ermordet zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte auch, dass er “im Dienst Langeweile hatte und für persönliche Zwecke Todesschädel haben wollte” und darum “jungen Häftlingen, die ein tadelloses Gebiss hatten, zur Operation zwang” und ihnen dabei “die Leber, die Gedärme, die Milz oder das Herz heraus nahm”. Einem Opfer mindestens habe Heim hinterher “den Kopf abgenommen, ihn ausgekocht und den präparierten Schädel auf seinem Schreibtisch aufgestellt.”
Nach dem Krieg wurde Heim lediglich als “gewöhnlicher SS-Truppenarzt” verurteilt und nach zwei Jahren freigelassen. Er lebte als angesehener Mann (wie viele Altnazis) und praktizierte als Frauenarzt – bis zum 2. Haftbefehl vor 17 Jahren.
Im Haus hatte es sich mit dem “Spiegel”-Artikel schnell herumgesprochen. 7000 DM hatte die Hausgemeinschaft jeden Monat an Miete zahlen müssen, für einen miesen Mörder! Spontan beschlossen die Mieter, in Zukunft das Geld auf ein Sperrkonto zu zahlen. Und: Sie fordern, dass erstens Heim endlich ausfindig gemacht und verhaftet und zweitens dass der Mensch sofort enteignet wird!
Möglich wäre das (wenigstens rechtlich). Nach dem 2. Entnazifizierungsgesetz von 1955 können “Sühnemaßnahmen” gegen NS-Verbrecher verhängt werden, von Berufsverbot bis zur Beschlagnahmung von Eigentum. Theoretisch würde der begründete Verdacht (z.B. eine einwandfreie Zeugenaussage) ausreichen, solche Maßnahmen auch vor einer Verurteilung einzuleiten.
Aber: Die Strafverfolgungsbehörden in Baden-Baden rücken nicht die Akten heraus.
In der Hausgemeinschaft kommt Ärger auf über das Verhalten der Behörden. Um diese aufzurütteln gehen die Mieter auf die Straße und sammeln Unterschriften. Im Text, mit dem sie um die Unterschriften warben, heißt es:
“Den Behörden ist die dunkle Vergangenheit unseres Hausbesitzers Dr. Heim seit 17 Jahren bekannt. 17 Jahre ‘Behördliche Tätigkeit’ führten nicht dazu, KZ-Arzt Heim dingfest zu machen. Im Gegenteil: Er lebte in diesen Jahren gut von unseren Mietzahlungen…
Wir fordern nunmehr die schnellste Ergreifung und gerechte Bestrafung des Dr. Heim…
Wir Mieter wünschen einen neuen Eigentümer, der dafür sorgt, dass das Haus korrekt geführt und die dringendst notwendigen Instandsetzungsarbeiten geleistet werden.”
An einem einzigen Tag unterschrieben sage und schreibe 950 Leute (hauptsächlich Passanten am Informationstisch Jagowstr. Ecke Levetzowstr. – dem ehemaligen Standort der Synagoge). Die Liste wurde inzwischen dem baden-württembergischen Justizminister zugesandt.
Bei den Behörden hat es jetzt einen ersten Erfolg gegeben, denn Innensenator Peter Ulrich hat bei der Spruchkammer Berlin einen Beschluss zur Einleitung eines Sühneverfahrens eingeleitet. Endlich! – muss man sagen, und erst nachdem die Mieter an die Öffentlichkeit gingen, und nachdem Vertreter der Hausgemeinschaft wochenlang einen Termin mit zuständigen Beamten verweigert wurde (Sachbearbeiter krank usw.).
Es fehlen im Moment nur noch die Akten aus Baden-Württemberg. Im Moment ist es auch wichtig dafür einzutreten, dass das Haus unter gerichtliche Verwaltung gestellt wird, damit Heim nicht das Haus kurzerhand verkauft und sich mit dem Geld endgültig aus dem Staub macht.
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Höchsts interessant finden wir Folgendes: Einer der Bevollmächtigten Heims (dessen Einnahmen er seit drei Jahren ganz offiziell versteuert), ist der Rechtsanwalt Steinacker. Bekannt als “Ehrenrichter” im Standesverfahren gegen den Stammheimverteidiger Heldmann! Für diesen “ehrenvollen Job” hatte er sich allerdings schon vor Bekanntwerden seiner Heim-Arbeit qualifiziert: Als Anwalt des untergetauchten SS-Arztes Mengele und ähnlicher NS-Verbrecher.
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