Rechtsextreme Zeitschriften bei EDEKA [Update 26.6.2020]

Heute (26. Mai 2020) Nachmittag hat unser Verein “Sie waren Nachbarn e.V.” einen Brief an die EDEKA-Filiale Moa-Bogen geschickt. Darin fordern wir die Geschäftsleitung auf, die rechtsextremistische Zeitschrift “Compact” aus dem Angebot zu entfernen, die den Holocaust verharmlost und offen rassistische Positionen vertritt.
EDEKA ist in den vergangenen Monaten bereits mehrmals auf den Charakter der Zeitschrift hingewiesen worden. Statt sie aus dem Programm zu nehmen wird sie nun sogar an besonders exponierter Stelle angeboten.

Sehr geehrte Frau S., sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben festgestellt, dass Sie in Ihrer Filiale im Moa-Bogen regelmäßig die Monatszeitschrift “Compact” verkaufen. „Compact“ verbreitet rassistische Inhalte und ist politisch als rechtsextremistisch einzustufen. Sie hetzt regelmäßig gegen Migrant*innen und verharmlost die NS-Zeit. So auch in der von Ihnen verkauften Sonderausgabe zur Bombardierung Dresdens im Jahr 1945. „Compact“ wird seit März 2020 vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft.

Es ist für uns völlig unverständlich, wie Sie eine rechtsextreme Zeitschrift anbieten können und damit deren Propaganda in einem Stadtteil verbreiten lassen, in dem Menschen aus vielen Ländern und Kulturen leben, arbeiten und auch bei Ihnen einkaufen!

Als Verein, der an die aus Moabit deportierten Jüdinnen und Juden erinnert, wissen wir, wohin eine solche Hetze wie sie „Compact“ betreibt, führen kann. Zudem finden wir es unerträglich, dass nur einige hundert Meter vom ehemaligen Güterbahnhof Moabit, dem Ort, von dem mehr als 30.000 Menschen in Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden, eine Zeitschrift mit diesen Inhalten in Ihrem Warenangebot an prominenter Stelle zu finden ist.

Deshalb bitten wir Sie eindringlich, die Zeitung Compact inkl. deren Sonderausgaben kurzfristig und dauerhaft aus dem Angebot zu nehmen. Dies verstehen wir als einen Akt der Zivilcourage!

Andere Supermärkte haben die Zeitschrift schon aus dem Sortiment genommen bzw. haben dies angekündigt.

Am 8. Mai kam als Reaktion aus der EDEKA-Zentrale in Minden eine E-Mail, die wir hier dokumentieren. Allerdings gab es Ende 2019 bereits eine Beschwerde über Compact bei Edeka und damals wurde exakt die gleiche E-Mail als Antwort geschickt. Offenbar ist sie dort als Textbaustein eingerichtet:

Vielen Dank für Ihre Nachricht.
Nach dem deutschen Presserecht haben wir leider keinen Einfluss auf die von uns verkauften Publikationen. Wenn ein Titel erscheinen darf und per Zuteilung durch den Presse-Grosso – der Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. – geliefert wird, sind wir verpflichtet, ihn anzubieten, da sein Inhalt im Sinne der Pressefreiheit als rechtlich unangreifbar eingestuft wurde. Der Bundesverband stellt dadurch sicher, dass ein breitgefächertes Meinungsbild ohne individuelle Selektierung des Handels stattfinden kann (Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland). Wenn innerhalb von drei Wochen kein Abverkauf eines Mediums stattfindet, kann dieses aus der Zuteilung entfernt werden.

Wir haben aber Ihren Hinweis zum Anlass genommen, den Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. um eine erneute Prüfung und Einschätzung des Compact Magazins gebeten.

Unser Unternehmen verfolgt mit seinem wertbasierten Leitbild kulturell das Ziel einer offenen Gesellschaft und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren rund 1.550 Märkten leben seit vielen Jahren die Vielfalt. Wir beschäftigen insgesamt 66.883 Menschen aus über 95 Nationen. Wir stellen uns jeder gesellschaftlichen Aufgabe in unseren Geschäftsgebiet von der niederländischen bis an die polnische Grenze, es umfasst einen Teil von Ostwestfalen-Lippe, nahezu vollständig Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg.

Es ist sehr bedauerlich, dass bei Ihnen ein anderer Eindruck entstanden ist. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich in Zukunft vom Gegenteil überzeugen können.

Unser Antwortbrief vom 2. Juni 2020:

Sehr geehrte Frau Schmitz,
vielen Dank für Ihre Antwort auf unsere Anfrage zum Magazin Compact im Edeka Moabogen Berlin. Wir danken auch, dass Sie beim Presse-Grosso nachfragen, ob eine erneute Prüfung des Magazins möglich ist. Gerade mit Blick auf die Beobachtung durch den Verfassungsschutz seit März 2020 sollte dies dringend erfolgen.

Können Sie uns noch mitteilen, ob unsere Anfrage auch an die Filialleitung in Moabit gesendet wurde? Für uns ist es wichtig, dass die dortigen Mitarbeitenden von der Anfrage wissen, da sie in unserem Bezirk arbeiten und leben.

Leider haben wir in den vergangenen Wochen weiterhin beobachtet, dass das Magazin sehr gut sichtbar in der Auslage des Edeka Moabogens zu sehen war. Außerdem mussten wir feststellen, dass nun auch die Zeitschrift “Deutsche Stimme”, die vom NPD-Bundesvorstand herausgegeben wird, verkauft wird. Dadurch konnte sich der Eindruck eines wertebasierten und offenen Leitbildes für uns nicht ergeben. Diese Magazine sprechen gegen alle Werte der Vielfalt, da sie Verschwörungstheorien und Rassismus verstärken und verbreiten. Wir bitten weiterhin um zivilcouragiertes Handeln Ihrerseits und um eine zeichensetzende Geste die Zeitschriften in allen Edeka Märkten aus dem Verkauf zu nehmen!

Außerdem würden wir uns über ein persönliches Gespräch mit der Marktleitung in Moabit freuen um, unser Anliegen persönlich vorzutragen und gemeinsam zu diskutieren.

Update am 26. Juni 2020:

Leider ist die Geschäftsführung der Filiale Moa-Bogen bis heute nicht auf unsere Bitte nach einem Gespräch eingegangen. Allerdings wurden in den vergangenen 10 Tagen keine der drei rechtsradikalen Zeitschriften mehr entdeckt. Ob dies Ergebnis unserer Intervention (und der manch anderer Kund*innen!) ist, wissen wir nicht. Und auch nicht, ob das von Dauer ist. Wir werden das auf jeden Fall weiter beobachten.